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Offener Brief EFC Schwarze Bembel

Sehr geehrter Herr Bruchhagen,
sehr geehrter Herr Skibbe,
liebe Spieler von Eintracht Frankfurt.

Als am Samstag Ralf den Ball im Strafraum fallen und sich von Raul überrumpeln ließ, lag blankes Entsetzen in der Luft. Als Tzavellas die Kugel aus 73 Metern in Tor schob, da war er da, der ersehnte Moment; dann folgten die Minuten, die Hoffnung machten – und mit Charisteas Treffer lachte uns die Geschichte aus; was blieb war trauriger Sarkasmus.

Als die Kommentare der Akteure nach dem Spiel uns allen Ernstes erklären wollten, wir hätten ein ordentliches Spiel gesehen, rieben wir uns die Augen. Die wollen uns verarschen, lautete die häufigste Reaktion. Hätte Fährmann nicht ein ums andere Mal waghalsig vor anstürmenden Schalkern gerettet, wir hätten gut und gerne mit 0:4 Toren verlieren können; kurz: Eintracht Frankfurt ist am Tiefpunkt angekommen.

Und wir tun so, als sei nichts geschehen. Nichts verändert sich und wenn, dann Kleinigkeiten und widerwillig. Obgleich noch acht Spiele zu absolvieren sind, glaubt derzeit kaum noch jemand ernsthaft an den Klassenerhalt – trotz der Tatsache, dass Eintracht Frankfurt bislang noch nicht einmal auf einem Abstiegsplatz stand. Gefühlt befinden wir uns in einem freien Fall und wir starren auf uns, wie das Kaninchen auf die Schlange.

Das muss ein Ende haben. Wir befinden wir uns tatsächlich seit geraumer Zeit in einer Art Schockstarre, die sich phasenweise in bitterbösen Sarkasmus löst. Dies mag für einen Moment notwendig sein, hilft auf Dauer aber nur dem Gegner. Altgediente Fans gehen nicht mehr ins Stadion, der Glaube an uns hat uns verlassen. Wie gelähmt präsentiert sich Eintracht Frankfurt und taumelt scheinbar rat- und tatenlos dem Abstieg entgegen.

In neun Rückrundenspielen gelang ein einziges Tor und kein einziger Sieg, in den vergangenen 15 Partien nur zwei. Seit dem elften Spieltag hat die Eintracht ein Torverhältnis von 5:25, in elf Spielen gelang gar kein Treffer. Dazu das Pokalaus in Aachen. Dies sind die nackten Zahlen; Zahlen die üblicherweise einen Absteiger repräsentieren.

Der Trainer wirkt ratlos – und weiß um diese Erscheinungsweise, der Vorstand vermittelt derzeit nicht, dass es einen unbändigen Willen gibt, die jetzige Situation zu verändern, und die Mannschaft scheint ein Trümmerhaufen – mit dem ärmsten Torhüter der Liga. Ralf Fährmann wird sich am meisten über seinen Bock gegen Schalke ärgern und er wird seinen Fehler wieder gutmachen, da muss ihm aber die Mannschaft helfen.

Es gibt genug Spieler, die lange im Verein sind, die auch nach außen hin Verantwortung übernehmen und sich kämpferisch der Situation stellen müssen, wie es augenscheinlich nur Ioannis Amanatidis macht, der sich dem Ernst der Lage bewusst scheint. Doch auch hier gilt: Worte schießen keine Tore.

Im Moment geht es nicht mehr um Einzelne, es geht nicht darum, wer spielt oder wie viel verdient. Es geht um das Schicksal der Frankfurter Eintracht, gegründet 1899. Wir laufen derzeit nicht nur Gefahr abzusteigen; wir laufen auch Gefahr, zum ersten Mal seit 1962 gegen den FSV Frankfurt um Punkte zu spielen und seit 1984 gegen die Kickers – während Mainz wohl mindestens im Uefa-Cup spielen wird.

Es geht im Moment nicht mehr darum, wer Schuld hat – der Vorstand, der Trainer, die Presse, das Umfeld – und es geht auch nicht mehr darum, wer Recht hat. Es geht überhaupt nicht mehr um Einzelne, nur insofern, als dass jeder, dem die Eintracht am Herzen liegt, ab nun alles dafür tun muss, dass wir in der Liga bleiben. Selbst wenn wir gegen St. Pauli verlieren, ist die Eintracht nicht abgestiegen. Schluss ist am 34.Spieltag gegen 17:20, dann wird abgerechnet. Solange bis dahin noch eine Chance besteht, müssen wir diese nutzen.

Oka Nikolov war dabei, als die Eintracht durch Fjörtofts Treffer 1999 gegen den 1. FCK in der Liga blieb, eine Eintracht, die wenige Wochen zuvor unter dem Trainer Fanz genauso mausetot da lag, wie nun. Oka Nikolov war dabei, als Alex Schur in der Nachspielzeit die Eintracht gegen Reutlingen in die erste Liga schoss – obgleich nach dem zwischenzeitlichen 3:3 alles vorbei schien.

Oka, erzähl den Jungs, wie das gewesen ist. Ladet Alex oder Jan-Aage ein, trefft euch im Museum, schaut euch die Szenen an, die Freude danach, seid hungrig, das auch erleben zu wollen. Wolfsburg, Schalke, Hamburg präsentieren sich desaströs, Gladbach und auch St. Pauli liegen noch hinter uns – lasst diese Mannschaften ihr Ding machen und konzentriert euch nur auf die Eintracht.

Marco Russ, nicht für sich selbst spielen, sondern für die Eintracht, für die Hunderttausende, die keinen Verein wechseln können bei einem Abstieg.

Halil, du bist doch ein feiner Fußballer, zeig es und glaub an deine Fähigkeiten.

Alex Meier, Mensch du bist ein Kerl, zeig dich. Nicht großmäulig, sondern mit breiter Brust, reißt euch gegenseitig mit, lauft für den anderen und für uns, die wir uns aus dieser Schockstarre lösen müssen.

Trainer, jeder andere wäre an deiner Stelle geflogen, gib uns das vom Chef gegebene Vertrauen zurück, zeige Flexibilität, rauft euch zusammen – für die Wochen, die noch bleiben.

Pirmin, du führst die Eintracht als Kapitän aufs Feld. Als Nachfolger von Alfred Pfaff oder Jürgen Grabowski, Ralf Weber oder Alex Schur. In der Winterpause wolltest du deinen Vertrag nicht vorzeitig verlängern – mangels Perspektive. Wie kannst du als Kapitän auflaufen und auf dem Platz mit dieser Leistung voran gehen? Gib die Binde ab – oder zeige dich ihrer würdig. Der Kapitän der Eintracht zeigt auf dem Platz, wo es lang geht. Dass du es kannst, hast du bewiesen. Erinnere dich daran.

Wir stehen vor einem fußballerischen Desaster historischen Ausmaßes. Und ihr seid die Protagonisten. Alles, was ihr mit der Eintracht erreicht habt, zählt im Falle des Abstieges nicht mehr.

Das gilt auch für den Chef, Heribert Bruchhagen, der sich stets einer großen Gefolgschaft sicher sein konnte, auch wenn es nicht immer so wirkte. Die jetzige zögerliche und wenig Hoffnung versprühende Haltung lässt viele sich abwenden, die den Chef bis vor kurzem noch massiv verteidigten. Dies zu merken, ist unserem Vorstandvorsitzenden durchaus zuzutrauen, der Kampf kann aber nicht lauten: einige wenige gegen den Rest. Auch andere haben Ahnung vom Fußballgeschehen, sind lange genug dabei und wissen insbesondere, was es für Eintracht Frankfurt für eine Zeit ist.

Es ist nicht die Zeit für Schuldzuweisungen, Überheblichkeit und Trotz. Es ist die Zeit der Selbstreflektion mit dem einzigen Ziel: Drinbleiben. Eintracht Frankfurt gegen den Rest der Liga.

Dies gilt natürlich auch für das Trainerteam und vor allem für langjährige Spieler. Ihr habt uns das Elend eingebrockt, also seid Männer und holt uns da raus. Im Falle des Abstieges seid ihr diejenigen, die die Eintracht in den Abgrund geritten haben. Das wird in der Geschichte für immer bestehen bleiben. Kämpft und rennt für euren Ruf, für eure Zukunft, motiviert euch gegenseitig und zeigt, dass ihr eine Mannschaft seid, auf die wir trotz der bislang katastrophalen Rückrunde stolz sein können.

Eintracht.

EFC Schwarze Bembel im März 2011

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